Eingliederungshilfe

Eingliederungshilfe, § 35a SGB VIII

seelisch behinderte Kinder und Jugendliche

 

Viele Pflegekinder haben aufgrund der Erlebnisse in den ersten Monaten und Jahren ihres Lebens einen Entwicklungsrückstand. Hervorzuheben sind hier Bindungsstörungen aufgrund mehrerer Aufenthaltswechsel, verbunden mit wechseln der Bezugs- und Bindungsperson(en). Viele unterliegen aber auch schon von Geburt an gewissen Einschränkungen, diese zeigen sich oftmals erst im Laufe der Jahre. Zu denken ist beispielsweise an AD(H)S (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) oder FAS (Fetales Alkoholsyndrom). Aber auch viele andere Kinder unterfallen dem Anwendungsbereich des § 35a SGB VIII, entscheidend ist weniger die Diagnose, als die tatsächlichen Folgen bzw. Auswirkungen im Leben und Alltag des Kindes.

Abs. 1 von § 35a SGB VIII lautet:

Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

  1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
  2. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.

Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieses Buches sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

Ausgangspunkt ist also der für das Lebensalter typische Entwicklungsstand. Hier muss eine Abweichung der seelischen Gesundheit von min. 6 Monaten gegeben sein.

Diese Abweichung ist aufgrund der Diagnose eines Kinder- und Jugendpsychiaters (oder ähnliche Qualifikation) festzustellen (fachliche Stellungnahme) und muss vom Jugendamt eingeholt werden. Da die Einholung dieser fachlichen Stellungnahme kostenpflichtig ist, strecken (Pflege-) Eltern die Kosten meist vor, die dann aber vom Jugendamt erstattet werden.

Um von einer seelischen Behinderung ausgehen zu können, muss als zweite Voraussetzung eine Teilhabebeeinträchtigung am Leben in der Gesellschaft festgestellt werden. Der Begriff der Behinderung ist also zweigliedrig aufgebaut, zudem muss die Teilhabebeeinträchtigung eine Folge der seelischen Abweichung sein.

Teilhabe bedeutet, sich persönlich und eigenständig in das gesellschaftlichen Leben einzubringen und an der Gestaltung mitzuwirken. Gemeint sind alle Lebensbereiche, also Familie, Schule/KiGa und Freizeitgestaltung, Hobbys, etc. Wer also sich wenig einbringt, häufig für sich allein bleibt, keinen Anschluss findet und keine/kaum Freunde hat, ist möglicherweise in der Teilhabe im gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt im Sinne des § 35a SGB VIII.

Während die Abweichung der seelischen Gesundheit durch eine Fachkraft (zB. Psychiater, Psychotherapeut, oä), in einer fundierten Stellungnahme (Gutachten) festzustellen ist, obliegt die Abklärung der Teilhabebeeinträchtigung den Mitarbeitern des Jugendamts.

Der gesamte Prozess ist etwas kompliziert und unübersichtlich. Pflegeeltern sollten aber immer bei bestimmten Anzeichen die Beratung zu dieser Thematik suchen, sobald nach ihrer Auffassung ihr Pflegekind betroffen sein könnte.

Die über § 35a SGB VIII zu erhaltenen Maßnahmen sind breit gefächert. § 35a SGB VIII verweist in die Eingliederungsmaßnahmen der Sozialhilfe, über diese gelangt man dann auch noch in die Vorschriften des sozialen Behindertenrechts sowie viele Nebengesetze zur sozialrechtlichen Teilhabe/Teilnahme.

Typische Maßnahmen, die über § 35a SGB VIII bewilligt werden sind

  • Schulbegleiter/ Integrationshelfer ( Schulbegleiter / Schulassistenz)
  • Privatschule, Internat, oä
  • therapeutische Unterstützung
  • stationäre (Therapie-) Maßnahmen, Auslandsaufenthalt