Verbleibensanordnung

Verbleib/ Verbleibensantrag

Anordnung des Verbleibs

 

Hauptsacheverfahren

Soll ein Pflegekind aus der Pflegefamilie herausgenommen werden, können sich Pflegeeltern dagegen zur Wehr setzen. Hierfür müssen Sie das Familiengericht einschalten. Die deutschen Familiengerichte können anordnen, dass ein Pflegekind in seiner Pflegefamilie bleiben muss (Anordnung des Verbleibs). Es ist dann davor geschützt, aus der Pflegefamilie herausgenommen zu werden. Das Familiengericht muss in einem solchen Verfahren klären, wie fest einerseits die Bindung des Pflegekinds an die Pflegeeltern ist und wie groß andererseits die Erziehungsfähigkeit der leiblichen Eltern ist, die das Kind (zurück) wollen. In einem solchen Hauptsacheverfahren wird ein Gericht, bevor es entscheidet, häufig ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten einholen.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist der Antrag auf Verbleib eines Pflegekindes in § 1632 Abs. 4 BGB geregelt.

 

 

Eilantrag/ Eilverfahren

Ein Antrag auf Verbleib kann auch noch gestellt werden, wenn die Herausnahme bereits kurz bevorsteht. Es ist dann ggf. ein Eilantrag auf Verbleib zu stellen, der im Idealfall innerhalb weniger Tage entschieden wird (Eilverfahren). Das Familiengericht wird in der Regel nur einen vorläufigen Verbleib anordnen. Vorläufig bedeutet, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache. Es wird also gleichzeitig oder kurz danach noch ein „normaler“ Antrag auf Verbleib gestellt werden müssen (Hauptsacheverfahren). In diesem Hauptsacheverfahren hat dann das Gericht ausreichend Zeit, in Ruhe und nach Kenntnis aller Fakten zu entscheiden. Häufig wird es dafür ein Sachverständigengutachten einholen. Hat der Eilantrag Erfolg, ist der Verbleib des Kindes während des laufenden Hauptsacheverfahrens gesichert.

 

 

Zeitpunkt der Antragstellung

Ein Antrag auf Anordnung des Verbleibs kann sogar dann noch gestellt werden, wenn das Pflegekind bereits aus der Pflegefamilie herausgenommen wurde. Der Antrag lautet dann auf Rückführung in die Pflegefamilie. Ich habe mir aus Klarstellungsgründen angewöhnt, den Antrag so zu stellen, dass erst die Rückführung in die Pflegefamilie und – bei Erfolg – dann der Verbleib beantragt wird. Wie in allen Kindschaftssachen ist Eile hier besonders wichtig. Denn ist das Pflegekind erst einmal aus der Pflegefamilie herausgenommen worden, spielt der Faktor Zeit eine immer wichtiger werdende Rolle im folgenden Gerichtsverfahren. Ist das Kind erst wenige Tage weg, dürfte ein wie oben dargestellter Eilantrag zwingend sein. Dadurch wäre das Pflegekind während des (länger dauernden) Hauptsacheverfahrens in seiner gewohnten Umgebung und bei den Hauptbezugs- und Bindungspersonen, den Pflegeeltern.

Natürlich kann ein Verfahren auf Verbleib auch noch geführt bzw. weitergeführt werden, sollte das Pflegekind während des schon laufenden Verfahrens aus der Pflegefamilie herausgenommen werden. Dafür muss nur der Antrag umgestellt werden. Er lautet dann, wie zuvor dargestellt, zunächst auf Rückführung und dann auch Verbleib.

 

so früh wie möglich …!

Grundsätzlich aber sollte ein Antrag auf Verbleib so früh wie möglich gestellt werden. Dies ist der Zeitpunkt, in dem erstmals ernsthaft die Herausnahme angekündigt wird. Ab diesem Zeitpunkt sollte spätestens ein auf das Pflegekinderrecht spezialisierter Rechtsanwalt hinzugezogen werden. Es ist von erheblicher Bedeutung, bereits im Vorfeld einige „Weichen“ zu stellen. Insbesondere die Informationsbeschaffung – z.B. durch Akteneinsicht in frühere Gerichtsverfahren – fördert oftmals bisher Unbekanntes über das Pflegekind zu Tage. Auch eine aktuelle ärztliche oder psychologische Dokumentation über das Pflegekind hilft in vielen Fällen weiter. Um dadurch gewonnene Erkenntnisse im Verfahren für sich nutzen zu können, müssen diese aber schon seit längerer Zeit erhoben werden. Nur dann wird es gelingen, eine für das Kindeswohl bedeutsame „rote Linie“ oder fachlich fundierte Meinung aufzeigen zu können, die das Gericht nicht ignorieren kann.

 

längere Zeit in Familienpflege

Jeder, der ein nicht-leibliches Kind (als Pflegekind) in seinen Haushalt aufgenommen hat, kann einen solchen Verbleibensantrag stellen. Das Kind muss sich nur bereits „seit längere Zeit“ im Haushalt befinden und es muss sich um ein familiäres Verhältnis (Familienpflege) handeln. Ausgenommen sind also zB Kinder in Rahmen eines Schüleraustauschs (Auslandsaufenthalt) oder Pflegekinder, die erst wenige Tage oder Wochen da sind.

Die Grenzen aber sind fließend, gerade bei der Bestimmung, was „längere Zeit“ bedeutet. Eine feste Grenze, z.B. 2 Jahre, gibt es auf keinen Fall. Häufig reicht bereits ein halbes Jahr, gerade bei Säuglingen und Kleinkindern. Abzustellen ist dabei vor allem auf das Alter des Kindes und das kindliche Zeitempfinden. Für ein vier-jähriges Kind stellt ein halbes Jahr einen viel längeren Zeitraum dar als für ein 12-jähriges.

Was die Familienpflege betrifft handelt es sich um einen weit verbreiteten Irrtum, nur offiziell in Vollzeit bzw. Dauerpflege lebende Pflegekinder wären von dieser Vorschrift erfasst. Das stimmt nicht! Auch Kinder, die nur in Bereitschafts- oder Kurzzeitpflege untergebracht sind, sind geschützt. (Wichtig ist nur, dass sie schon längere Zeit da sind, s.o.). Der Status ist unerheblich, wichtig ist nur, was tatsächlich gelebt wird (Stichwort: Familienpflege). Daher ist es nicht einmal Voraussetzung, dass überhaupt ein Pflegeverhältnis besteht oder das Jugendamt auch nur Kenntnis vom Zusammenleben hatte. Auch wer nicht offiziell als „Pflegeeltern“ anerkannt ist und kein Pflegegeld erhält, kann für sein „Pflegekind“ den Antrag auf Verbleib stellen. Dies betrifft insbesondere viele Großeltern, die ein Enkelkind in ihren Haushalt aufgenommen haben.

In Einzelfällen können auch nach § 34 SGB VIII (Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform) untergebrachte Kinder dem Schutz dieser Norm unterfallen. Entscheidend ist wieder das tatsächlich Gelebte, steht der familiäre Charakter im Vordergrund oder der eines stationären Aufenthalts wie zB in einem Kinderheim.

 

Sachverständigengutachten

 

In den meisten Fällen wird das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen. Ohne ein Gutachten können bzw. dürfen die Gerichte ein solches Verfahren grundsätzlich nicht beenden. Die Frage von Verbleib oder Herausnahme ist einfach viel zu bedeutend, als dass das ein Gericht ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen entscheiden könnte. Ausnahme ist natürlich, alle Beteiligten einigen sich auf eine Lösung oder der Fall ist ausnahmsweise einfach und eindeutig.

Die Auswahl des Sachverständigen trifft das Gericht. Die Pflegeeltern können zwar Vorschläge machen, die muss das Gericht aber nicht annehmen. Manchmal ist es sogar besser, keinen Vorschlag zu machen, damit die Gegenseite und das Gericht nicht denken, der Sachverständige könnte parteiisch sein.

Den vom Gericht ausgewählten Sachverständigen können Pflegeeltern natürlich auch ablehnen (z.B. wegen zu geringem Fachwissen, keine Erfahrung auf dem Gebiet des Pflegekinderwesens) Um damit Erfolg zu haben, bedarf es aber guter Gründe, die vor Erstellung des Gutachtens oftmals nicht beweisbar sein werden. Nur schon mal gehört zu haben, der oder die Sachverständige sei „nicht gut“, reicht natürlich bei weitem nicht aus. Liegt das Gutachten vor und ist es ersichtlich „ungenügend“, gelingt der Nachweis schon eher. Das Gericht wird dann aber regelmäßig alles versuchen, das Gutachten zu halten, um nicht komplett von vorne anfangen zu müssen.

Auch für den Ablehnungsgrund der Befangenheit oder grundsätzlichen Einstellung „pro leibliche Eltern“ braucht es gute (und nachweisbare) Gründe, um mit einem Ablehnungsantrag Erfolg zu haben.

Benötigt wird in den meisten Fällen ein familienpsychologisches Gutachten, dieses erstellt in der Regel ein Psychologe. Auch bei den Gutachtern stellt das Pflegekinderwesen noch immer eine Randerscheinung dar. Es sollte also über die reine Berufsqualifikation hinaus auch auf Erfahrung gerade in diesem Bereich geachtet werden. Manchmal wird auch (zusätzlich) ein psychiatrisches Gutachten, also von einem Psychiater bzw. Arzt mit entsprechender Zusatzausbildung, benötigt. Das wird immer dann der Fall sein, wenn eine psychische Krankheit in Betracht kommt, die die Erziehungsfähigkeit beeinträchtigt oder ausschließt.